Solange du deine Füße … by Walter Schmidt
Autor:Walter Schmidt
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2014-02-13T16:00:00+00:00
Kannst du denn keine Ordnung halten?
Silvia liegt ständig im Clinch mit ihrer 16-jährigen Tochter. »In Miriams Zimmer sieht es immer wieder aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Furchtbar!«, klagt sie. An Saubermachen sei gar nicht mehr zu denken. »Und wenn ich sie bitte, ihre Sachen im Schrank zu verstauen, wo sie hingehören, stopft sie ihre Klamotten einfach in die ohnehin schon vollen Fächer.« Laufend lasse sich irgendetwas nicht mehr auffinden, dummerweise auch wichtige Schulsachen. Die entnervte Mutter schwankt zwischen dem Bemühen, der Tochter buchstäblich ihren eigenen Raum zu lassen, und andererseits ihrem Ärger über das »heillose Durcheinander«, vor dem sie »einfach nicht die Augen verschließen« kann – auch nicht dadurch, dass sie Miriams Zimmer meidet und nicht mehr hineinschaut. Man müsse doch »wenigstens ab und zu mal lüften«. Und dabei stößt sich die 43-Jährige förmlich jedes Mal an »diesem ›Chaos, das mich unheimlich nervt‹«.
Streit ums Aufräumen, um das Wiederherstellen der Ordnung im Kinder- und Jugendzimmer oder auch im Bad, gehört zu den klassischen Konflikten in Familien. Vor allem Jugendliche in ihrem notwendigen Bemühen, sich von den Eltern abzugrenzen, wollen sich nicht mehr vorschreiben lassen, wie es in ihrem Zimmer auszusehen hat, und kontern treffsicher: »Du mit deiner spießigen Ordnung!« Beide Seiten verrammeln sich in ihrem Schützengraben und feuern Angriffs- und Abwehrgeschosse in die gegnerischen Linien. Häufig aber ist den Beteiligten gar nicht klar, worum sie eigentlich kämpfen. Erstens wäre zu klären, was beide Seiten mit Ordnung eigentlich meinen und warum die Älteren sie für so wichtig halten, während die Jüngeren sie eher nebensächlich finden. Der nächste Schritt wäre dann, auf dieser Basis eine überschaubare Zahl altersgemäßer Regeln aufzustellen, die ein gedeihliches Miteinander ermöglichen. Eine penible oder durchgestylte Ordnung werden Jugendliche allerdings höchst selten erreichen können – und schon gar nicht wollen. Kleinkinder wiederum sind noch gar nicht imstande, ihre wild verstreuten Spielsachen aufzuräumen; ihnen müssen Erwachsene dabei helfen, nicht im Chaos zu versinken. Nicht selten übrigens tragen die Eltern zum beklagten Wirrwarr bei: Wer nämlich jüngere Kinder mit Spielzeug überfrachtet oder von Verwandten überschütten lässt, überfordert die Kleinen. Weniges lässt sich leichter in einige mit Bildchen markierte Kisten für »Bauklötze« oder »Autos« wegsortieren als ein Wust, den selbst 30-Jährige kaum noch entwirren könnten.63
Grundsätzlich müssen Kinder allmählich lernen, selbst eine Ordnung der Dinge zu entwickeln, die ihr Leben erleichtert, weil sie Überblick schafft und schnellen Zugriff gestattet. Manchmal geht das nicht anders als über konstruktives Scheitern, indem die Kinder im eigenen Zimmer auch mal ein Durcheinander produzieren dürfen, das ihnen selbst allmählich auf den Keks geht, weil es lustvolles Spielen erschwert. Wer den schwarzen gegen den roten Ritter antreten lassen will, muss die beiden Haudegen auch finden können. Wenn beim Suchen ein Lieblingsspielzeug zertreten wird, weil es verborgen unter einem Pullover oder einem Comicheft am Boden lag, sei’s drum: Manchmal hilft auf dem Weg zur Erkenntnis nur die schmerzliche Härte eines Verlusts, der eine Lehre natürlich nur dann sein kann, wenn die Eltern das Verlorene nicht ersetzen – oder wenigstens nicht gleich. Und wenn das Lieblingsbuch verschüttgegangen ist und deshalb abends nicht mehr vorgelesen werden kann, mögen ruhig Tränen fließen.
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